„Offen für alle“ – und gut gerüstet für die Zukunft des Kleingartenwesens
Die Mitgliederversammlung des Landesverbandes Westfalen und Lippe in Münster-Hiltrup stand ganz im Zeichen von „Übergang und Wandel“
Übergang und Wandel haben eine der ereignisreichsten Mitgliederversammlungen in der Geschichte des Landesverbandes Westfalen und Lippe der Kleingärtner e. V. geprägt: Die rund 150 Delegierten, die in der Stadthalle Münster-Hiltrup die 73.500 Mitglieder des Verbandes vertraten, erlebten Ehrungen und Verabschiedungen von Weggefährten aus Vorstand, Geschäftsführung und Politik, die den Verband über Jahrzehnte geprägt und gefördert haben, wählten eine neue Verbandsspitze und begrüßten ihre neue Geschäftsführerin. Die „Ruderübergabe“ war hier nicht nur eine symbolische: Werner Heidemann, als Geschäftsführer fast 40 Jahre lang Spielmacher der westfälisch-lippischen Kleingärtner, übergab seiner Nachfolgerin Karoline Podchull-Giesebrecht ein robustes Ruder aus Holz, das er mit der Gravur „The Journey is the Reward“ hatte versehen lassen.
Für- und miteinander arbeiten
Diese sehr persönliche Widmung hätte auch als Motto über der Mitgliederversammlung stehen können: In den Grußworten, Reden und Laudationen von Vertretern zahlreicher Verbände, Organisationen und Institutionen zeigte sich immer wieder, dass die Kleingärtner in Westfalen und Lippe in den inzwischen 101 Jahren ihres Bestehens nie in alten Gewohnheiten verharrten, sondern immer bereit waren, neue Wege zu gehen. Wilhelm Spieß verwies in seiner Rede als scheidender Vorsitzender des Landesverbandes noch einmal ausdrücklich darauf, dass in NRW – als einzigem Bundesland – die Förderung des Kleingartenwesens Verfassungsauftrag ist. Insgesamt ging von der Mitgliederversammlung das klare Signal aus, dass die Kleingärten als „grüne Lungen“ und „grüne Oasen“ sowohl im städtischen Raum als auch im ländlichen Raum nicht den Interessen von Bauunternehmen und Investoren geopfert werden dürfen. Tatsächlich steigt derzeit der Druck von Städten und Gemeinden sowie Wohnungsunternehmen und Investoren, Bauland auszuweisen. Die Flächenkonkurrenz sei inzwischen so groß, dass Städte und Gemeinden vielfach darüber nachdächten, Kleingartenflächen zu Bauland umzuwidmen. Kleingärten seien aber nicht nur Freizeitflächen für Gartenfreunde, so Wilhelm Spieß, sondern von elementarer Bedeutung für Natur, Umwelt und Klima.
Die Interessen der Kleingärtnerinnen und Kleingärtner werden künftig nun Karoline Podchull-Giesebrecht, die Werner Heidemann nach fast 40-jähriger Tätigkeit als Geschäftsführer ablöste, und Rolf Rosendahl vertreten, der auf der Versammlung zum Nachfolger des ebenfalls langjährigen Landesverbandsvorsitzenden Wilhelm Spieß gewählt wurde. „Wilhelm Spieß und Werner Heidemann haben große Fußstapfen, aber auch ein gut bestelltes Feld hinterlassen und ich habe einen hohen Respekt vor den Aktivitäten, die uns bevorstehen, aber ich bin mir sicher, dass wir diese gemeinsam bewältigen werden“, so Rolf Rosendahl in seiner Antrittsrede. „Wie in einer Familie funktioniert diese Gemeinschaft umso besser, je mehr man für- und miteinander tut.“
Mit dem Slogan „Offen für alle“ will die neue Führungsspitze den Kleingarten nun zum einen noch stärker in die Mitte der Gesellschaft rücken und öffnen, zum anderen aber auch den Austausch im Verband noch schneller und flexibler machen: „Wir wollen uns in Zukunft noch intensiver mit unseren Mitgliedern austauschen, unsere vielfältigen Angebote noch besser darstellen und für die wichtigen Themen der Kleingärtner werben, die weit über den eigenen Garten hinausreichen – ob Artenvielfalt, Klimaschutz oder Umweltgerechtigkeit. Mit unserem neuen Internetauftritt, www.kleingarten.de ist der Grundstein dafür bereits gelegt“, so Karoline Podchull-Giesebrecht.
Das ist der neue Vorstand
v. l.
Beisitzer: Stephan Bevc
Kassierer: Jörg Schulz
Landesfachberaterin: Ulrike Brockmann-Krabbe
Beisitzerin: Stephani Terhechte
Schriftführerin: Silke Helleberg (neu)
Vorstandsvorsitzender: Rolf Rosendahl (bisher: stellv. Vorstandsvorsitzender)
Stellv. Vorstandsvorsitzender: Stephan Winter (bisher: Schriftführer)
Beisitzer: Tim Große Lengerich (neu)
Beisitzer: Marius Feldmeier (neu)
Feierlich verabschiedet wurde Karin Hegel, Landesberaterin für Frauen, Jugend und Familie. Sie erhielt die höchste Auszeichnung des Verbandes, die "Große Goldene Ehrennadel" auf Grund ihres unermüdlichen und kreativen Engagements u. a. in der Frauenfachberatung.
Neue Kassenprüfer sind:
Thomas Masjosthusmann, Gelsenkirchen
Manfred Schettler, Bochum
Jürgen Osterhoff, Emsdetten
Neue Formate, mehr Dialog
Die steigende Bedeutung des Dialogs und die „Offenheit für alle“ zeigte sich auch in den Formaten der Mitgliederversammlung: Über die klassischen Redebeiträge hinaus standen mehrere kleinere Talkrunden auf dem Programm. Moderatorin Stephanie Heinrich aus dem WDR-Landesstudio Münster („Lokalzeit Münsterland“) ließ mit Wilhelm Spieß, Werner Heidemann und Karoline Podchull-Giesebrecht sowie Landesfachberaterin Ulrike Brockmann-Krabbe und Stephan Grote, hauptamtlicher Fachberater, die Aktivitäten der Kleingärtner aus den vergangenen beiden Jahren Revue passieren. Video-Grußworte hatte zuvor Politprominenz aus NRW übermittelt: Staatssekretär Dr. Heinrich Bottermann vom Ministerium für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz, Bianca Winkelmann für die CDU-Landtagsfraktion, Thomas Kutschaty aus der SPD-Landtagsfraktion, Verena Schäffer für die Bündnis 90/Die Grünen-Landtagsfraktion sowie Markus Diekhoff aus der FDP-Landtagsfraktion. Alle politischen Vertreter betonten, wie wichtig ihnen die Förderung des Kleingartenwesens sei, würdigten die beeindruckenden Strukturen im Verband und unterstrichen den Verfassungsrang der Kleingärtner, aus dem auch für die Politik eine besondere Verpflichtung erwachse.
In einer weiteren Talkrunde unter dem Motto „Gemeinsam für Grün in Stadt und Land“ standen WDR-Moderatorin Stephanie Heinrich dann Stefan Grundei, Geschäftsführer des Bundesverbandes Deutscher Gartenfreunde (BDG), Dr. Jons Eisele aus dem Umweltministerium NRW, Peter Horst vom Landesverband Gartenbau NRW, Hans Christian Eckhardt, Vorsitzender der Landesarbeitsgemeinschaft für Gartenbau und Landespflege (LAGL) und Präsidiumsmitglied des Verbandes Garten-, Landschafts- und Sportplatzbau VGL NRW e. V., sowie Dr. Martina Oldengott, Projektleiterin IGA Metropole Ruhr 2027, Rede und Antwort. Sie alle zeigten sich in ihren Redebeiträgen überzeugt davon, dass das Kleingartenwesen für die Zukunft gut gerüstet sei, um sich gegen Flächenansprüche zu behaupten. Der Arbeit des Landesverbandes bescheinigten sie dabei den „Blick über den Tellerrand“: Aus Westfalen und Lippe gebe es immer wieder wichtige Impulse für die bundesweite Verbandsarbeit sowie für besondere Projekte wie wissenschaftliche Studien oder die IGA Metropole Ruhr 2027.
Last, but not least kamen die Freunde aus dem polnischen Poznań zu Wort. WDR-Moderatorin Stephanie Heinrich verlas zudem einen Brief aus Nadeshda, dem Kinderhilfsprojekt in Belarus – beides sind langjährige Projekte bzw. Partnerschaften, die der scheidende Geschäftsführer Werner Heidemann initiiert hatte.
Zwei besondere Ehrungen standen ebenfalls auf dem Programm:
• Wilhelm Spieß wurde aufgrund seiner besonderen Verdienste als Landesverbandsvorsitzender zum Ehrenmitglied des Verbands ernannt.
• Reinhold Sendker, langjähriger Abgeordneter im NRW-Landtag und im Bundestag, erhielt die "Große Goldene Ehrennadel" des Landesverbandes. Sendker hatte sich über zwei Jahrzehnte politisch für das Kleingartenwesen engagiert, unter anderem als kleingartenpolitischer Sprecher der CDU-Landtagsfraktion in Düsseldorf, und gilt unter den Kleingärtnern in Westfalen und Lippe als „Glücksfall für das Kleingartenwesen“.
Aus den Laudationen für Werner Heidemann und Wilhelm Spieß
„Werner Heidemann hat Verbindungen zu vielen Menschen aufgebaut und gepflegt, er ist ein Netzwerker im positiven Sinne. Er hat uns vertraut gemacht mit Themen wie Urban Gardening und Urban Farming. Seine Kontakte mit der Wissenschaft haben wertvolle Studien zur Bedeutung des Kleingartenwesens in Europa initiiert und dem Kleingartenwesen in Westfalen und Lippe, in Deutschland und der europäischen Kleingartenbewegung wertvolle Impulse verschafft.“
Werner Bolder, Landesverbandsvorsitzender
1994 – 2010, über Werner Heidemann
„Du hast ein ausgeprägtes Gefühl für Verbandsarbeit, Fingerspitzengefühl für Tendenzen und neue Entwicklungen. Vieles, um nicht zu sagen alles, was unseren Verband auszeichnet, trägt deine Handschrift.“
Wilhelm Spieß, Landesverbandsvorsitzender
2010 – 2022, über Werner Heidemann
„Du hast dieses Amt mit außergewöhnlichem persönlichem Einsatz, Fleiß, Engagement, Zielstrebigkeit und Durchsetzungsvermögen wahrgenommen und unseren Verband zu dem gemacht, was wir heute sind. Dabei warst du immer zukunftsorientiert und offen für Neuerungen. Wir im Vorstand lassen einen so erfahrenen Mann wie dich nur ungern gehen.“
Rolf Rosendahl, neuer Landesverbandsvorsitzender, über Wilhelm Spieß
Applaus für Gastgeber Münster
Die Vielfalt der Themen des Kleingartenwesens wurden nicht nur durch die Wortbeiträge im Saal selbst deutlich. In den begleitenden Ausstellungen in der Stadthalle präsentierte der gastgebende Stadt- und Bezirksverband Münster Kunst und Kultur, Kleingartengeschichte und Garteninformationen – von „Kunst trifft Kohl“ bis „Biene – Honig – Artenvielfalt“. Mit Münster war der Veranstaltungsort im Übrigen sehr gut gewählt: Denn der Stadt- und Bezirksverband blickt in diesem Jahr auf 100 Jahre Kleingartenwesen in Münster zurück. Horst Stronk, Vorsitzender des Stadt- und Bezirksverbandes Münster, verwies in seinem Grußwort auf die hohe Nachfrage nach Kleingärten: „Wir hätten in den vergangenen beiden Jahren in Stadt und Bezirk 800 Parzellen vergeben können, so groß war das Interesse.“ Derzeit stehe das Thema „Selbstversorgung mit Obst und Gemüse“ bei den Kleingärtnern wieder besonders im Kurs, die Rasenfläche im Kleingarten reduziere sich weiter. Für die Ausrichtung der Mitgliederversammlung bedankten sich Vorstand, das Team der Geschäftsstelle und die Delegierten herzlich.
Kurs auf neue Aufgaben
Das Ruder, das Werner Heidemann seiner Nachfolgerin Karoline Podchull-Giesebrecht übergeben hat, wird diese übrigens in ihrem neuen Büro in der Geschäftsstelle in Lünen aufhängen: „Es wird mich an die vielen emotionalen Momente auf unserer Mitgliederversammlung in Münster erinnern, insbesondere auch an die Verabschiedung von Werner Heidemann, und mir immer bewusst machen, dass unsere Arbeit sowohl durch Dynamik als auch durch Nachhaltigkeit geprägt ist.“ Zu den ganz konkreten Aufgaben, die sich auf der Mitgliederversammlung ankündigten, zählt die neue mediale Ausrichtung des Verbandes – weg von der in Herstellung und Vertrieb zu teuer gewordenen Zeitschrift „Gartenfreund“ hin zum Internet – und die energetische Sanierung der Landesschule in Lünen, dem zentralen Anlaufpunkt für alle Gartenfreunde in Westfalen und Lippe.