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Pflanzenvermehrung

Sie möchten Ihren Obstbaum vermehren? Dann sollten Sie sich diesen Artikel von unserem Fachberater Stephan Grote nicht entgehen lassen. Er erklärt die unterschiedlichen Methoden der Pflanzenvermehrung und gibt wichtige Praxistipps für die Veredelung von Obstgehölzen.

Veredelungsmethode: Verbessertes Rindenpfropfen bei einer Umveredelung
Verbessertes Rindenpfropfen bei einer Umveredelung

Die Vermehrung von Obstgehölzen

Die Vermehrung von Obstgehölzen kann durch die Aussaat von Samen erfolgen. Dabei wird von einer generativen (geschlechtlichen) Vermehrung gesprochen. Die Aussaat spielt bei der Produktion von Obstgehölzen allerdings eine deutlich untergeordnete Rolle und wird nur für die Vermehrung von Wildobst, zur Produktion von sog. Sämlingsunterlagen und zum Zwecke der Züchtung und Auslese von neuen Sorten angewendet.

Die weitaus überwiegende Vermehrung von Obstgehölze findet vegetativ (ungeschlechtlich) statt. Die übliche Vermehrungsmethode bei Johannisbeeren ist z.B. der Schnitt und das Stecken von Steckhölzern. Durch Absenker (lebende Zweige verbunden mit der Mutterpflanze und bedeckt mit Erde) werden Haselnüsse, Brombeeren und Stachelbeeren vermehrt. Diese Vermehrungsmethoden erhalten die Sortenechtheit und die Pflanzen sind früher verkaufsfähig.

Obstbäume werden veredelt. Für diese Vermehrungstechnik benötigt man zusätzlich zu einem Trieb der Sorte (dem Edelreis) noch eine sog. Unterlage, einen Baum derselben oder nahverwandten Art, der den Wurzelteil des fertigen Baumes bildet. Fast alle im Handel befindlichen Obstbäume (Kultur-Apfel, Kultur-Birne, Süß-Kirsche etc.) sind eine Sorten-Unterlagen-Kombination. Ausnahme können z.B. sein.: Haus-Zwetsche, Bühler-Frühzwetsche und die Stromberger Pflaume. Diese können auch erfolgreich über Wurzelausläufer vermehrt werden.

Das Veredeln

Nahezu alle Obstarten sind auf Fremdbefruchtung angewiesen. Der Pollen des eigenen Baumes bzw. eines Baumes der gleichen Sorte ist nicht zur Befruchtung geeignet. Durch diese Befruchtung mit Fremdpollen folgt eine Neukombination des Erbgutes und es entsteht ein Nachkomme der i.d.R. in seinen äußerlichen Merkmalen zwischen den Elternbäumen steht. Falls z.B. die Blüte eines Apfelbaumes der Sorte Topaz durch den Pollen eines Apfelbaumes der Sorte Cox Orange befruchtet würde, entsteht nach erfolgter Aussaat und Keimung der Kerne kein neuer Baum der Sorte Topaz, sondern eine ganz neue Sorte. Eine sortenechte Erhaltung ist also durch Aussaat nicht möglich!

Beginnender Austrieb des Veredelten Auges mit angelegtem Leittrieb-Clip

Ein Teil der Obstsorten kann mit großem kulturtechnischem Aufwand auch als Steckholz, als Grünsteckling oder durch Abmossen vermehrt werden. Die mit Abstand effektivste Methode ist allerdings das Veredeln. Grundlage dafür, dass das Veredeln funktioniert, ist der Umstand, dass in jeder Triebknospe eines Obstbaumes die gesamte Anlage für einen neuen Obstbaum vorhanden ist. Im Gartenbau wird dabei nicht von einer Knospe, sondern von einem Auge gesprochen

Veredelungsmethode: Okulation und Kopulation
Veredelungsmethode: Okulation und Kopulation (Abb. NABU Naturschutzstation Münsterland)

Es werden entweder Augen (Augenveredelung) oder kurze Triebstücke (Reiserveredelung) für die Veredelung verwendet. Die in der Baumschule am häufigsten verwendete Veredelungsart ist die Okulation (Augenveredelung). Diese Veredelung findet im Sommer statt.

Reisveredelungen

Im Winter und Frühjahr werden die Reiserveredelungen durchgeführt. Die sog. Edelreiser oder kurz Reiser genannt werden im Dezember oder Januar geschnitten. Es finden dabei ausschließlich gut ausgereifte, möglichst kräftige, gesunde und diesjährige bzw. letztjährige Triebe Verwendung. Bis zur eigentlichen Veredlung ist das Reis dunkel, kühl und leicht feucht zu lagern. Geringe Reisermengen können in Plastiktüten im Kühlschrank aufbewahrt werden.

Veredelungsmethode: Geißfußveredelung
Veredelungsmethode: Geißfußveredelung

Die Kopulation, die Geißfußveredelung und das Rindenveredeln sind die gebräuchlichsten Reiserveredelungs-Techniken. Bei der Kopulation sind das Reis und die Unterlagen gleich groß, bei der Geißfußveredelung ist der Durchmesser des Reises kleiner als der der Unterlage (s. Video). Wichtig ist, dass das teilungsfähige Gewebe des Reises und der Unterlage nach erfolgter Veredelung direkten Kontakt haben und verwachsen können.

Video: Geißfuß-Veredlung

Die Rindenveredelung

Diese Veredelungsmethode wird im Profigartenbau selten angewendet, da die Zeit der Ausführung gegen Ende März und Anfang April liegt und in dieser Zeit in den Baumschulen andere Arbeiten ausgeführt werden müssen. Im Frühjahr führt die Rinde der Unterlage aber erst wieder, ausgelöst durch den Wurzeldruck, „Saft“ und lässt sich leicht vom Teilungsgewebe lösen.

Die Rindenveredelung, auch Rindenpfropfen genannt, wird gerne im Hobbygartenbau gebraucht, da die technische Ausführung vergleichsweise einfach ist. Es ist auch die übliche Methode beim Umveredeln ältere Bäume. Das Reis kann bei dieser Methode deutlich kleiner sein als die Unterlage.

Bei dem sog. Verbesserten Rindenpfropfen erfolgt als Erstes eine Kappung der Unterlage auf den sog. Pfropfkopf. Anschließend erfolgt ein einfacher Kopulationsschnitt. Dabei wird das Reis schräg angeschnitten und im Anschluss daran ein weiterer einseitige, schmaler Anschnitt im 90° Winkel zum Grundschnitt ausgeführt. Am Pfropfkopf folgt nun ein senkrechter und bis auf das Holz ausgeführter Rindenschnitt in der Länge des Kopulationschnitts. Danach wird einer der beiden Flügel vorsichtig abgelöst. Das Reis wird nun eingeschoben, wobei der schmale Anschnitt an der nicht gelösten Schnittseite anliegt. Ein festes Verschnüren der Verbindung und das Bestreichen mit einem Wundverschlussmittel sorgt für anhaltenden und feuchtbleibenden Kontakt der beiden Gewebe. Die Veredelungsstelle darf nicht vorzeitig austrocknen.

Die Unterlagen

Durch die Unterlage wird nicht nur die Vermehrung überhaupt erst ermöglicht, sondern diese bestimmt auch die Wuchsstärke und die Standfestigkeit des Baumes. Es werden Sämlingsunterlagen und Klon- bzw. Typenunterlagen unterschieden. Für jede Obstbaumart stehen verschiedene wuchsstarke Unterlagensorten zur Verfügung. Die Sämlinge werden durch Aussaat vermehrt, von Muttersorten deren Nachkommen in der Regel vergleichbare Eigenschaften aufweisen. Sämlingsunterlagen sind immer starkwachsend. Neben der Hochstammqualität wird auch der überwiegende Teil der auf dem Markt angebotenen Halbstammqualitäten auf Sämlingsunterlagen veredelt.

Klon- und Typenunterlagen werden vegetativ vermehrt, also ungeschlechtlich. Dies kann z.B. durch Rückschnitt der Mutterpflanzen, dem Bewurzeln der Neuaustriebe und anschließendem Abriss derselben geschehen. Es sind aber auch sog. In-vitro-Vermehrung möglich. Jede so gewonnene Wurzelunterlage hat die gleichen erblichen Eigenschaften wie die Ausgangspflanze (Mutterpflanze). Beispiele sind „M 9“ und „Supporter 4“ bei Äpfeln oder „Weirot 53“ und „Gi-Sel-A 3“ bei den Kirschen. Diese schwachwachsenden Unterlagen werden überwiegend für die Anzucht von Buschbaumqualitäten verwendet.

Die größten Apfelbäume sind z.B. eine starkwachsende Sorte wie „Kaiser Wilhelm“, veredelt auf einem Sämling. Die kleinsten Apfelbäume sind eine Kombination aus einer schwachwachsenden Sorte, wie die „Ananasrenette“, veredelt auf einer schwachwachsenden Unterlage, wie z.B. „M 9“. Die Unterlagen können auf Nachfrage über Baumschulen bezogen werden.

Übung, Erfahrung und ein scharfes Veredelungsmesser

Ein gewisses Maß an Übung und Erfahrung sowie ein scharfes Veredelungsmesser sind Grundvorrausetzungen für das Gelingen von Veredelungen!