Pflanzenwurzeln: Wissen und Tipps für den Kleingarten
Kleines Geflecht, große Wirkung: Wurzeln im Kleingarten
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Im Kleingarten wird vieles über der Erde sichtbar: Blüten öffnen sich, Früchte reifen, Gemüse wächst heran. Doch das eigentliche Fundament jeder Pflanze liegt verborgen: die Wurzeln. Sie geben Halt, versorgen die Pflanzen mit Wasser und Nährstoffen und prägen das Wachstum entscheidend. Im Kleingarten begegnen sie uns bei der gärtnerischen Arbeit, werden gehegt und gepflegt oder aber mit "Füßen getreten". Dabei lohnt es sich, genauer hinzusehen: Manche Wurzeln sind kleine Vitaminbomben und bereichern sogar unseren Speiseplan. Wer versteht, wie unterschiedlich Wurzelsysteme arbeiten und was sie brauchen, kann Pflanzen gezielt stärken, für eine bessere Ernte sorgen und Pflegefehler vermeiden. So beginnt Gartenfreude oft schon dort, wo man sie nicht sieht, unter der Erde.
Aufgaben der Wurzeln
Das Wurzelgeflecht: unsichtbar, aber unverzichtbar für gesundes Wachstum
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Die Pflanzenwurzel dient zum einen der Verankerung der Pflanze im Boden und kann den Boden stabilisieren und vor Erosion schützen. Vor allem aber sorgt sie für die Aufnahme und Weiterleitung von Wasser und Nährstoffen und beeinflusst damit die Entwicklung der gesamten Pflanze.
Grundsätzlich unterscheiden sich die Pflanzenwurzeln in ihrer Stabilität und Größe. Gröbere, stabile und meist verholzte Wurzeln bilden eine Art langlebiges, tragendes Wurzelgerüst. Feinwurzeln und Wurzelhaare hingegen sind zart, kurzlebig und sehr empfindlich. Sie übernehmen die entscheidende Funktion der Nährstoff- und Wasseraufnahme. Ihr dichtes Geflecht mit großer Oberfläche eignet sich besonders gut, um Wasser und gelöste Mineralstoffe aus den feinen Bodenporen aufzunehmen.
Ein partnerschaftliches Geben und Nehmen
Wurzeln und Pilze bilden eine starke Gemeinschaft im Boden
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Neuere Forschungen lassen vermuten, dass Pflanzenwurzeln in Zusammenarbeit mit verschiedenen Bodenpilzen auch der Kommunikation zwischen Pflanzen über große Entfernungen dienen können. So ist es möglich, dass Pflanzen Informationen über Schädlinge, Stress oder besondere Wachstumsbedingungen austauschen. Auch im Kleingarten spielt das Zusammenspiel zwischen Pflanzen und Pilzen eine wichtige Rolle. Viele Gemüse-, Obst- und Zierpflanzen profitieren von Mykorrhiza-Pilzen, die ihnen helfen, Wasser und Nährstoffe besser aufzunehmen und gleichzeitig ihre Widerstandskraft stärken. Einige unserer wichtigsten Gemüsepflanzen leben mit sog. Knöllchenbakterien in einer weiteren für beide Partner vorteilhaften Lebensgemeinschaft. Die Bakterien binden den Bodenstickstoff und machen diesen für die Pflanzen verfügbar, die Pflanze fördert die Vermehrung der Bakterien. Die Ackerbohne (Vicia faba) und die Erbse (Pisum spec.) sind Beispiele für Pflanzen in unseren Gemüsebeeten, die eine solche Symbiose eingehen. Wer Böden schonend bearbeitet, Kompost einsetzt und auf chemische Belastungen verzichtet, unterstützt diese natürlichen Partnerschaften. So entsteht ein stabiles Bodenleben, das die Gesundheit der Pflanzen fördert und die Erträge im Kleingarten nachhaltig verbessern kann.
Wichtig zu wissen! Mykorrhiza
Mykorrhiza Bodenpilze, vergrößern durch ihr Pilzmyzel die Oberfläche der Wurzeln, ihre pflanzlichen Symbiosepartner. Dadurch kann die Pflanze mehr und effektiver Wasser und Nährstoffe aufnehmen. Der Pilz bekommt dafür von der Pflanze produzierte Produkte der Fotosynthese (Zucker), um sich zu ernähren. Um eine Lebensgemeinschaft mit Mykorrhiza zu fördern, ist auch Beimpfung des Bodens durch gekaufte Starterkulturen möglich.
Wichtig zu wissen! Wurzelunkräuter
Viele als Wurzelunkräuter bezeichneten Problempflanzen im Garten sind keineswegs aufgrund ihrer Wurzeln so problematisch, sondern aufgrund ihrer Methode sich vegetative (ungeschlechtliche) zu vermehren und dadurch zu verbreiten. Dies tun diese Pflanzen durch unterirdische Sproßachsen, die auch als Kriechtriebe bezeichnet werden. Wissenschaftlich spricht man von Rhizomen. Bekannte Pflanzen, die sich im Garten über Rhizome ausbreiten, sind die Gemeine Quecke (Elymus repens) und die Kanadische Goldrute (Solidago canadensis).
An den Wurzeln der Ackerbohne gebildete sog. Knöllchen
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Wurzelsysteme
Auf der Suche nach Nahrung und Wasser erschließen die Pflanzen durch ständiges Wurzelwachstum und Verzweigungen neue Bodenräume. Die Gesamtoberfläche eines Wurzelsystems ist bei gut angewachsenen Pflanzen häufig um ein Vielfaches größer als die des oberirdisch wachsenden Sprosssystems.
Vielfalt unter der Erde: Wurzelsysteme passen sich den Bedürfnissen der Pflanzen an
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Man unterscheidet Wurzelsysteme von einkeimblättrigen und zweikeimblättrigen Pflanzen (Monokotyle und Dykotyle):
Einkeimblättrige Pflanzen (Monokotyle):
Bei den einkeimblättrigen Pflanzen stirbt die Keimwurzel (die erste Wurzel, die aus dem Samenkorn sprießt) ab und aus der Sproßbasis heraus entwickeln sich viele gleichrangige und gleichstarke Wurzeln, die auch Büschel- oder Adventivwurzeln (sprossbürtige Wurzeln) genannt werden. Diese Wurzeln verzweigen sich später und bilden ein faseriges, dichtes Netz, das für die Verankerung der Pflanze im Boden sorgt, Nährstoffe aufnimmt und die Aufnahme von einsickerndem Regenwasser fördert. Gräser wie Lampenputzergras (Pennisetum alopecuroides), Mais (Zea mays) oder Orchideen wie der Gelbe Frauenschuh (Cypripedium calceolus) oder Lauchgewächse wie der Ackerlauch (Allium ampeloprasum) u. a. zählen zu den einkeimblättrigen Pflanzen.
Zweikeimblättrige Pflanzen (Dykotyle):
Die Entwicklung des Wurzelsystems der zweikeimblättrigen Pflanzen beruht auf der Entwicklung von kräftigen Hauptwurzeln und verzweigten Seitenwurzeln. Sie lässt sich am Beispiel der Tief- und Flachwurzler näher erläutern.
Tief- und Flachwurzler
Vielfältig: Pflanzen nutzen unterschiedliche Wurzelwege
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Die meisten zweikeimblättrigen Pflanzen entwickeln aus der Keimwurzel eine kräftig wachsende Hauptwurzel, die i. d. R. dauerhaft bestehen bleiben und die Pflanzen im Boden verankern. Teilweise bilden sich auch mehrere starke Hauptwurzeln aus. Von den Hauptwurzeln gehen wiederum verschiedene Neben- oder Seitenwurzeln ab. Verzweigen sich diese weiter, so spricht man von Seitenwurzeln erster, zweiter oder dritter Ordnung etc.
Mit einer einzelnen, markanten und senkrecht nach unten wachsenden Hauptwurzel, auch Pfahlwurzel genannt, versuchen einige Gewächse wie der Gemeine Löwenzahn (Taraxacum officinale), die Rot-Buche (Fagus sylvytica) oder die Stiel-Eiche (Quercus robur) tiefer liegende Grundwasser- oder günstige Nährstoffangebote zu erschließen. Sie zählen damit zu den sog. Tiefwurzlern.
Andere Pflanzen bilden immer mehrere Hauptwurzeln aus und bleiben mit ihrem Wurzelgeflecht immer in der Nähe der Bodenoberfläche. Diese “Flachwurzler“ breiten ihre Haupt- und Seitenwurzeln horizontal und tellerförmig rund um die Pflanze in den oberen Bodenschichten aus. Sie decken ihren Wasserbedarf überwiegend durch versickerndes Oberflächenwasser und besiedeln vorrangig flachgründige Böden sowie lockere, humose Böden. Häufig stehen sie auch auf nassen Böden, wie beispielsweise die Weiden (Salix spec.) an Gewässern.
Vielfalt durch Wurzelmetamorphosen
Möhren-Wurzeln in inniger Umarmung
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1. Speicherwurzeln
Besonders Pfahlwurzler lagern in ihren Wurzeln gerne Reservestoffe ein, um ungünstige Jahreszeiten (kalte Winter, Trockenzeiten) zu überdauern. Um auch in Zeiten ohne Photosyntheseleistung überleben zu können, haben sie zu diesem Zweck ihre Wurzeln zu stark verdickten Speicherorganen umgewandelt. Man unterscheidet hier die Rüben mit ihren verdickten Hauptwurzeln (z. B. Möhren Daucus carota, Petersilienwurzel Petroselinum crispum, Pastinake Pastinaca sativa, Schwarzwurzeln Scorzonera hispanica) und die Wurzelknollen mit den verdickten Seiten- oder Adventivwurzeln (z. B. Dahlien Dahlia spec., Scharbockskraut Ranunculus ficaria, Pfingstrosen Paeonia spec., Meerrettich Armoracia rusticana).
Sofern neben der Hauptwurzel auch Teile der Sprossachse verdickt sind (z. B. Sellerie Apium graveolens, Rettich Raphanus raphanistrum, Zuckerrübe Beta vulgaris subsp. vulgaris), handelt es sich nicht um reine Wurzelmetamorphosen, sondern um Wurzel- und Sprossmetamorphosen.
Bei der Kartoffel entwickeln sich am unterirdischen Teil der Triebe Wurzeln und Tragfäden bzw. unterirdische Ausläufer (Stolonen), an denen sich die beliebten Knollen als Speicherorgane bilden.
Bei einer Wassersukkulenz können Speicherwurzeln auch größere Mengen Wasser sammeln, was beispielsweise bei den bekannten Grünlilien (Chlorophytum comosum) der Fall ist.
2. Kletterwurzeln
Das Lichtangebot ist der auslösende Faktor für die Bildung von Kletterwurzeln. Das Streben nach Licht hat im Laufe der Zeit zur Entwicklung verschiedener Klettertechniken geführt. Dazu wurden Wurzeln zu Wurzelranken umgebildet, wie beispielsweise bei der Vanille (Vanilla planifolia). Eine andere Variante der Kletterwurzeln sind die Haftwurzeln, wie sie z. B. beim heimischen Efeu (Hedera helix) oder bei der Kletterhortensie (Hydrangea anomala ssp. petiolaris) vorkommen. Wände, Zäune oder andere Pflanzen werden von den kletternden „Emporkömmlingen“ immer wieder gerne als Kletterhilfe genutzt.
Tipps: Förderung der Wurzelentwicklung im Kleingarten
Mit richtiger Pflege im Wurzelbereich zu vitalen Pflanzen und reicher Ernte
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Pflanzen richtig setzen
- Tiefwurzler für trockene, tiefgründige Böden wählen; Flachwurzler für humose und feuchte Standorte
- Pflanzabstand zu Mauern, Wegen und Leitungen beachten
- Pflanzlöcher tief genug ausheben, damit Hauptwurzeln nicht geknickt werden
Boden und Wasser
- Boden locker halten, Verdichtungen vermeiden, Wurzeln nicht betreten
- Selten, aber durchdringend gießen
- Flachwurzler an heißen Tagen häufiger wässern
- Mulchen und Kompost einarbeiten, um Bodenfeuchtigkeit und Nährstoffversorgung zu verbessern.
Pflege im Wurzelbereich
- Beim Hacken nur oberflächlich arbeiten, um Feinwurzeln nicht zu verletzen
- Umpflanzen nur mit feuchten Wurzeln – Austrocknung der Wurzelhaare vermeiden
- Unterpflanzungen nur mit passenden Partnern, um Konkurrenz zu reduzieren.
Wachstum fördern
- Sämlinge pikieren, Gehölze gelegentlich umstechen, Wurzelspitzen vor dem Pflanzen anschneiden
- Anhäufeln bei Tomaten, Gurken oder Bohnen zur Bildung zusätzlicher Wurzeln
- Stecklinge mit nährstoffarmen Substraten starten und ggf. Bewurzelungshormone einsetzen.
Besonderheiten beachten
- Speicherwurzeln (z. B. Rüben, Knollen) zur richtigen Zeit ernten
- Kletterpflanzen mit Haft- oder Luftwurzeln gezielt leiten
- Mais mit Stützwurzeln durch Anhäufeln oder windgeschützte Standorte stabilisieren
- Mykorrhiza und Bodenleben durch schonende Pflege und vielfältige Bepflanzung fördern
Die Wurzelarbeit mag unscheinbar sein, doch sie ist die Grundlage für alles, was den Kleingarten ausmacht: kräftiges Wachstum, gesunde Pflanzen und das gute Gefühl, mit jeder Ernte die Früchte sorgfältiger Pflege zu genießen.
Quellen: